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Die innere Ausrichtung beim Üben von Musik

Üben - aber wie?

 

Über die innere Ausrichtung

In diesem Text geht es nicht um Methoden oder Übestrategien, sondern in übergeordneter Form darum, dafür zu sorgen, dass wir ressourcevoll bzw qualitätsvoll üben können.

Es macht einen himmelweiten Unterschied für den Erfolg des Übens, ob wir frohen Mutes, und mit freudvoller Fokussierung in unsere Übezeit starten, oder in unserem Inneren eigentlich ein ganz anderes Programm läuft, wir vielleicht mit Sorgen beschäftigt sind oder ein fieser Innerer Kritiker die Zügel fest im Griff hat.

Ich halte es für essentiell wichtig, im Blick zu haben, wie denn eigentlich unsere Verfassung im jeweiligen Moment ist.
Unsere Verfassung, das ist unsere emotionale Gestimmtheit und die Ausrichtung unserer Gedanken. Man könnte das Ganze auch den State nennen, in dem wir sind oder die Qualität unseres inneren Erlebens.

 

Die gute Nachricht ist: Darauf können wir tatsächlich Einfluss nehmen!

Wie aber kann ich einen ressourcevollen State erreichen?

Ganz grundsätzlich halte ich es für absolut sinnvoll und stärkend, sein „wofür“ sehr genau zu kennen!
 
Also ganz übergeordnet frage dich: was ist der
Urgrund, aus dem ich Musik mache, wofür brenne ich? Was daran erfüllt mich mit Freude?
Und dann ganz konkret, was verbinde ich mit meiner
Zielvorstellung, zum Beispiel ein bestimmtes Stück im Konzert/Wettbewerb/Probespiel etc. zu spielen?
Wie fühlt sich das an, wenn es gelingt?
Hier geht es um dein
Körpergefühl, deine Wahrnehmung beim Musikmachen.
Die Vorstellung der Anerkennung von anderen Menschen ist bei dieser Fokusübung nicht gefragt.
Bleibe bei dir.
Es geht ganz unmittelbar um dich und das Gefühl von
Gelingen und Freude.
Bade darin. Nimm wahr, was dieses Gefühl mit dir in diesem Moment macht, wenn du es noch stärker werden lässt.
Was ist das für eine
Wahrnehmung im Körper? Wie nimmst du den Raum um dich her wahr? Kannst du dich noch mehr ausdehnen, es noch mehr genießen?
Und wie ist es, wenn du dich ganz dahinein entspannst, dich von der starken Energie versorgen lässt…?

Vielleicht hast du die Augen für diese Wahrnehmungsübung geschlossen.
Nun öffne sie wieder, mache dir bewusst, dieser freudvolle State ist jederzeit in deinem Inneren für dich verfügbar. Und nun frage dich,

Was ist der erste kleine Schritt in dieser Richtung? Was kann ich jetzt tun?

 

Wenn nun gerade negative und stressige Gedanken vorherrschen, und du dich nicht so recht auf das freudvolle Gefühl, von Erfüllung und Gelingen ausrichten kannst, empfehle ich dringend, nicht mit dem Üben von Musik zu beginnen.
Auch diesen Zustand - also das negative Gefühl beim Spielen der Musik - übt das Gehirn dann mit ein.

 

Was also tun, bei miesen Gedankengängen und Ängsten, bei Minderwertigkeitsgefühlen, inneren Kritikern etc.?

Mache dir kurz bewusst, du hast jetzt vielleicht zwei Stunden Zeit zum Üben:

Wie willst du am Ende aus dieser Übezeit rausgehen?
Möchtest du das Gefühl haben, zwei Stunden bis zum Anschlag durchgeübt zu haben, die immer gleichen Fehler ärgerlich zu verbessern, um dann frustriert mit dem Gefühl, zwar viel Energie verbraucht zu haben, doch nicht wirklich vorangekommen zu sein, in den weiteren Tagesverlauf überzugehen?
Oder möchtest du das Gefühl haben, dass sich wirklich Dinge bewegen konnten, dass du
neue Impulse setzen konntest, dass die Qualität deiner Gedanken sich verändert hat, und du entspannt und erfrischt aus dieser Übeeinheit rausgehen kannst?
 

Ich möchte dir hier zwei Möglichkeiten an die Hand geben, mit denen du dich wunderbar um dich selbst kümmern kannst, um deine schwierigen Gefühle und um die niederdrückenden Gedanken.
 

Der eine Weg – ich nenne ihn die Praxis der inneren Zuwendung, handelt vom Fühlen und Wahrnehmen und davon in unserem Körper zu landen.

Zunächst:
Gefühle wollen gefühlt werden.

Gefühle gehen nicht weg, wenn wir sie verdrängen, sie nicht haben wollen, uns über sie ärgern.
Im Gegenteil, dann werden sie uns aus dem Hintergrund den ganzen Tag begleiten. Gefühle wollen gefühlt werden.

Als Musiker*innen verbringen wir regelmäßig viele Stunden allein mit dem Instrument. Das ist eine wunderbare Chance, uns immer wieder mit uns selbst zu
verbünden!

 

Wie aber kann es gelingen, schwierigen Gefühlen in mir Raum zu geben, ohne von ihnen übermannt zu werden und mich am Ende klein und elend zu fühlen?

Es geht darum, in mir eine freundliche Instanz zu entwickeln, die wahrnimmt und präsent ist, während ich ein Gefühl in mir wahrnehme. Also eine Art wacher Zeuge.

Es kann sehr sinnvoll sein, die Zeit für ein waches Gefühle fühlen von vornherein zu begrenzen. Also stelle dir zum Beispiel einen Wecker auf 5 oder 10 Minuten und registriere:

Ah, da ist vielleicht ein Gefühl von Angst beispielsweise im Probespiel zu versagen.
Wie fühlt sich diese Angst jetzt im Körper an, kannst du sie lokalisieren? Vielleicht im Bauch, in der Kehle, in einem angespannten Rücken?

Bleibe damit. In diesem Moment bist du ganz ehrlich mit dir selbst und schaust nicht weg.
Aha, da ist also Angst, und die fühlt sich so an, und vielleicht meldet sich jetzt eine Ungeduld - ok, die ist auch da.
Und kannst du damit sein?
Und vielleicht ist da jetzt auch dieser Druck, endlich mit dem „richtigen“ Üben anzufangen.
Kannst du einen Moment einfach zulassen, dass diese Gefühle in dir sind, ohne gleich ins Handeln zu kommen?

Fühlen, Atmen.
Vielleicht berührst du liebevoll die Stelle in deinem Körper, wo du das Gefühl als Körperempfindung verortest. Spüre den Kontakt zu dir selbst. Spüre, dass du für dich da bist.
Und spüre, dass du für dich sorgst und für dich eintreten kannst.
 

Vielleicht kommen auch ganz viele wirre Gedanken und du hast den Eindruck, gar nichts fühlen zu können.
Auch das ist vollkommen in Ordnung!
In diesem Falle vertraue darauf, dass es dennoch ein kostbarer Moment für dich selbst ist, wenn du dir Zeit schenkst jenseits von Effektivität und planvollem Tun.
Und vielleicht ist es dir dennoch möglich, wahrzunehmen, dass es neben den Gedanken einen ruhigen beobachtenden Part in dir gibt. Eine Instanz, die einfach da ist, nicht bewertet, nicht analysiert - einfach dieser stille Zeuge.

Manche Gefühle brauchen auch ein gezieltes und sicheres Entladen. Vielleicht ist da z.B. gerade ein Gefühl von Wut in dir. Hier kann es stimmig sein, die Fäuste zu ballen, vielleicht kräftig in die Luft oder auf ein Kissen zu schlagen.
Und vor allem:
die große Energie und Kraft zu fühlen, die dahinter liegt.


Nach der von vornherein begrenzenten Praxis der inneren Zuwendung empfehle ich wärmstens, dich einen Moment lang deinem Körper zu widmen. 
Vielleicht durch ein Wachklopfen oder Reiben, ein Schütteln oder auf der Stelle hüpfen.
Hebe deinen Kopf, denn allein das verändert deine Gestimmtheit erheblich.

Dann sitze einen Moment, spüre wie der Atem ein und ausströmt.
 

Es geht hier weder darum, die vielleicht schwierigen Gefühle in dir zu wegzumachen, noch, dich in ihnen zu suhlen, und die miese Stimmung noch mit Gedanken anzuheizen.
Es geht um den ehrlichen und fürsorglichen Kontakt zu dir selbst.

Du stärkst die wichtigste Beziehung in deinem Leben, die Beziehung zu dir selbst. Daraus erwächst Selbstbewusstsein und wache Präsenz.


 

Der andere Weg, den ich hier empfehlen möchte, ist eine Methode, deine stressigen Gedanken über dich selbst und die Welt zu hinterfragen, und so auszusteigen aus Negativspiralen und Gedanken Karussells.
Diese Methode heißt
„The Work“ und ist denkbar simpel.

Zunächst geht es darum zu registrieren:

Aha, da ist gerade ein Gedanke, ein Glaubenssatz in mir aktiv. Das kann so etwas sei, wie „ich bin nicht gut genug.“ „Ich muss der/die Beste sein.“ „Die Anderen denken schlecht von mir.“ „Ich muss diese Stelle bekommen!“ etc.

Nun überprüfst du diesen Gedanken auf Herz und Nieren:
 

- Ist das wahr?
- Kann ich absolut sicher sein, dass das wahr ist?
- Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich diesen Gedanken glaube?
- Wer wäre ich ohne den Gedanken?

 

In zahlreichen Youtube-videos kann man Byron Katie, die die Methode entwickelt hat, dabei zusehen, wie sie den unterschiedlichsten Menschen diese einfachen Fragen stellt.
Die Menschen nehmen diese Fragen tief in sich hinein, und erleben, wie sich ihre Realtiät verändert, wenn sie ihre Gedanken hinterfragen und sich aus festgefahrenen Glaubenssätzen lösen können.

In den anschließenden Umkehrungen der ursprünglichen Aussage, also der Formulierung des genauen Gegenteils geht es darum, sich zu fragen, inwiefern die Umkehrung genauso wahr oder sogar noch wahrer sein könnte.

 

Nehmen wir das Beispiel: „Ich bin nicht gut genug.“:

Ist das denn wirklich die Wahrheit? Kann ich absolut sicher sein, dass das stimmt? Wer sagt das überhaupt über mich? Und wofür denn überhaupt - gut genug?
Und dann überprüfe, was es für eine Auswirkung auf dich hat, diesen Gedanken zu glauben, jetzt in diesem Moment, vielleicht am Instrument sitzend.

Wie klingt die Musik, wenn du an diesem Gedanken festhälst?
Und wer wärest du ohne diesen Gedanken?
Ohne den Gedanken, der deine Aufmerksamkeit absorbiert, kannst du vielleicht wahrnehmen, was auch alles da ist: Die Geräusche, Gerüche und Körperempfindungen,
die Stille, die unter dem allen ist, oder die das alles durchdringt.
Wie sieht die Welt jetzt aus?

Und welche Qualität haben deine Gedanken und Gefühle, wenn du den ursprünglichen Satz in sein Gegenteil umkehrst? „Ich bin gut genug.“
Kannst du die Freude, die dieser Satz möglicherweise auslöst, in dir empfinden?
Wie klingt die Musik jetzt? Wie wärest du auf der Bühne/im Probespiel, wenn du diesen Satz tatsächlich glauben würdest?

Ich halte die Fragen, die Byron Katie anbietet, für ein wunderbares sogar spielerisches Tool, um auf sehr direktem Wege Einfluss zu nehmen auf die Wahrnehmung unserer Realität, und um auch eine Stille im Kopf einzuladen. Und wie klingt die Musik denn dann…?

 

Wenn du noch mehr erfahren möchtest, lies gerne auch meinen Artikel
"The work von Byron Katie - Ein Weg in die Weite..."

 

Ich freue mich, wenn ich dir in diesem Text ein paar Anregungen geben konnte, wie du immer wieder für eine ressourcevolle innere Ausrichtung sorgen kannst!

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